Grenzwerte
Lärm ist sicherlich nicht das erste, was einem zum Thema Arbeitssicherheit in einer Pflegeeinrichtung einfällt. Bekannt sind die Lärmgrenzen aus der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV), die über den Tag gerechnet als maximale Lärmexpositionspegel 85 dB(A) und als Spitzenschalldruckpegel 137 dB(C) definiert. Ab 80 dB(A) bzw. 135 dB(C) schreibt sie verschiedene Präventionsmaßnahmen vor.
Dazu kommt es in einer Pflegeeinrichtung im Normalfall allerdings nicht – obwohl in Einzelfällen durchaus sehr hohe Werte erreicht werden können. So kann eine fallengelassene Nierenschale einen Impuls von 95, das Herablassen eines Bettgitters 90, eine zuschlagende Tür 86 und das Aufreißen von Handschuhverpackungen einen durchaus überraschend hohen Wert von 86 Dezibel erzeugen. Auch das Öffnen von Blutdruckmanschetten fällt in diese Kategorie. Selbst ein Gespräch von vier Personen liegt bei etwa 74 Dezibel, wobei es im Umgang mit alten, oft schwerhörigen Patientinnen und Patienten auch zu höheren Werten kommen kann – insbesondere beim Umgang mit demenziell erkrankten Menschen, die zum Teil häufig und manchmal auch sehr laut schreien, auch in unmittelbarer Nähe der Ohren von Beschäftigten.
Ergänzend zu den genannten Grenzwerten aus der LärmVibrationsArbSchV finden sich in der Technischen Regel für Arbeitsstätten „Lärm“ (ASR A3.7) weitere maximal zulässige Beurteilungspegel. So sind dort Tätigkeitskategorien beschrieben, die sich an dem Maß der für die Erfüllung der Aufgabe erforderlichen Konzentration oder Sprachverständlichkeit orientieren. Diese sind in der Tabelle 1 dargestellt. Für eine Einbeziehung in die Bewertung muss die Tätigkeit in einer Kategorie mindestens eine Stunde umfassen – entweder zusammenhängend oder auf einen Tag verteilt.
Grenzwerte | Beispiele | |
---|---|---|
Tätigkeitskategorie I Hohe Konzentration oder hohe Sprachverständlichkeit | 55 dB(A) | Wissenschaftliches und kreatives Arbeiten |
Tätigkeitskategorie II Mittlere Konzentration oder mittlere Sprachverständlichkeit | 70 dB(A) | Tätigkeit in Leitwarten |
Tätigkeitskategorie III Geringere Konzentration oder geringere Sprachverständlichkeit | 55 dB(A) | Einfache Montagearbeiten |
Tabelle1: Grenzwerte von Tätigkeiten nach Kategorien (aus der ASR A3.7)
Trotzdem reicht es in der Regel in der Summe nicht, um auf einen 8-Stunden-Tag verteilt die genannten Auslösewerte für vorgeschriebene Schutzmaßnahmen zu erreichen.
Unterschwelliger Lärm
Aber auch unterschwelliger Lärm kann zu einem gesundheitlichen Problem werden.
So liegt der Schallpegel eines klingelnden Telefons, das Piepen von Rufsystemen, die Unterhaltung im Kollegenkreis und/oder mit Bewohnerinnen und Bewohnern oder auch von einem Staubsauger oder einem Radio jeweils deutlich unterhalb der im ersten Kapitel genannten Lärmpegel. In Kombination oder bei längerem Andauern können aber auch diese Lärmquellen zu einem ernsten Problem werden.
Gerade ein konstanter und immer gleichbleibender Geräuschpegel kann langfristig vielfältige Beschwerden wie Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Nervosität, Gereiztheit und Schlafstörungen, aber auch Herz- und Kreislaufprobleme oder psychische Probleme bis hin zu Depressionen auslösen. Das geschieht beispielsweise durch die Stresshormone Cortisol und Adrenalin, die der Körper ab etwa 60 Dezibel ausschüttet, oder durch ein Ansteigen des Blutdrucks infolge des Lärms.
Hinzu kommt, dass störende Geräusche die Kommunikation der Beschäftigten untereinander und mit den Bewohnerinnen und Bewohnern erschwert. Auch das kann zu den oben genannten Folgen führen und darüber hinaus die Fehleranfälligkeit der Arbeit erhöhen – mit möglichen Auswirkungen auf die Bewohnersicherheit. Zudem besteht die Gefahr, dass zu laute Kommunikation die Privatsphäre und das Vertrauensverhältnis zwischen den Kommunizierenden verletzt.
Auch Nachhallzeiten in Räumen beeinflussen die Auswirkungen von Lärm und Geräuschen. So stören auch Nachhallzeiten über 0,5 Sekunden die Kommunikation, insbesondere leidet darunter das verstehen von Konsonanten. Besonders hohe Nachhallzeiten treten in Räumen mit schallharten Oberflächen wie Beton, Glas und Keramikfliesen auf.
Eine wichtige Rolle spielt, wie der jeweilige Lärm subjektiv empfunden wird und auf welche Stimmung er beim Betroffenen trifft – so stört den einen schon ein lautes Lied im Radio, während ein anderer für drei Tage auf ein Heavy-Metal-Festival fährt.
All dies macht Lärm auch in Pflegeeinrichtungen zu einem relevanten Belastungsfaktor, der zudem die Leistungsfähigkeit einschränkt.
Schutzmaßnahmen
Gefährdungsbeurteilung als Kern
Was tun? „Nicht hinhören“ ist keine Lösung – unser Gehör lässt sich nicht abschalten. Deshalb nimmt es ständig Umweltgeräusche auf, wenn auch wegen möglicher Gewöhnungseffekte oft unbewusst.
Kern aller Schutzmaßnahmen ist auch in diesem Fall die arbeitsplatzspezifische Gefährdungsbeurteilung, in die nach Möglichkeit auch die individuelle Einschätzung der Betroffenen einbezogen werden sollte.
Aus dieser Gefährdungsbeurteilung werden wie üblich mögliche Schutzmaßnahmen abgeleitet und dabei nach dem STOP- oder TOP-Prinzip gewichtet. Das bedeutet, dass der erste Blick einer möglichen Substitution der Lärmquelle gilt. Ist das nicht möglich, schaut man auf mögliche technische Maßnahmen, die bereits bei der Entstehung des Lärms ansetzen. Es folgt die Betrachtung organisatorischer und schließlich persönlicher Schutzmaßnahmen.
Technische Schutzmaßnahmen
Besonders wirksam sind raumakustische Schutzmaßnahmen, wie z. B. Trittschalldämpfungen oder der Einsatz schallabsorbierender Decken, Bilder und anderer Oberflächen. Eine weitere technische Schutzmaßnahme ist das Abkapseln einer potenziellen Lärmquelle durch z. B. Trennwände. Auch sollte bei der Anschaffung von Arbeitsmitteln das Thema Lärm immer als Kaufkriterium einbezogen werden. Oberstes Ziel: Subjektiv störende oder vegetativ beeinträchtigende Geräusche gleich an der Quelle vermeiden oder zumindest ihre Ausbreitung verhindern.
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Eine organisatorische Maßnahme wäre zum Beispiel das räumliche oder zeitliche Trennen lauter und leiser Tätigkeiten. Oder, den Beschäftigten „stille Stunden“ zu ermöglichen, innerhalb derer sie abseits von jeder größeren Geräuschentwicklung arbeiten können. Dies ist insbesondere bei Tätigkeiten wichtig, die ein hohes Maß an Konzentration erfordern, wie etwa das Stellen der Medikamente.
Bei Signal-, Ruf- und Alarmeinrichtungen sollte die Lautstärke soweit reduziert werden, wie es für den Einsatzzweck vertretbar ist. Schon bei der Anschaffung entsprechender Anlagen sollte darauf geachtet werden, dass die Signallautstärke einstellbar ist und somit an die Umgebung und die Einsatzbedingungen angepasst werden kann. Auch sollte überlegt werden, welche Ereignisse überhaupt eine laute akustische Signalisierung erfordern. Weniger dringliche Benachrichtigungen können auch auf optische Signalgeber umgestellt werden. Moderne Kommunikationssysteme erlauben zudem eine individuelle Benachrichtigung der Beschäftigten, etwa auf mitgeführte mobile Endgeräte. Ein lautes, über große Entfernungen wahrnehmbare akustisches Signal ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Persönliche Schutzmaßnahmen
Greifen sowohl technische, als auch organisatorische Schutzmaßnahmen zu kurz, muss sich der oder die Beschäftigte im Einzelfall mithilfe persönlicher Schutzausrüstungen schützen, wie zum Beispiel dem Einsatz von Gehörschutzstöpseln. Bei geeigneten Tätigkeiten kann auch das Hören als angenehm empfundener Musik positiv von anderen Geräuschen ablenken und einen mentalen Ausgleich schaffen.
Spezialfall Bewohner oder Bewohnerin
Ein Sonderfall in Pflegeeinrichtungen sind Belastungen durch Lärm, die im Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern auftreten können. Allein durch die altersbedingte Schwerhörigkeit ihrer Klientel findet bereits die normale Kommunikation häufig in einer größeren Lautstärke statt als im Leben außerhalb der Einrichtung.
Hinzu kommen lautierende Bewohner und Bewohnerinnen, die einen zusätzlichen Geräuschpegel mit zum Teil erheblichen Spitzenwerten erzeugen. Speziell bei demenziell Erkrankten kann mit der Krankheit aggressives und damit auch verbunden mitunter sehr lautes Verhalten einhergehen. Dabei kommt es im Extremfall auch dazu, dass Pflegekräften direkt ins Ohr "gebrüllt” wird. Das geht dann weit über das hinaus, was als unterschwelliger Lärm bezeichnet werden kann.
Aber auch wenn das nicht der Fall ist, kann der längere Umgang mit solchen demenziell oder anders hervorgerufenen Lautierungen nicht nur psychisch, sondern auch akustisch und vegetativ sehr belastend sein. Gegensteuern lässt sich mithilfe der dem Fachpersonal bekannten Regeln und Empfehlungen im Umgang mit demenziell Erkrankten – beispielsweise der beruhigende Umgang auf Augenhöhe mithilfe eines Perspektivenwechsels, durch die der oder die Betroffene versucht, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. Kommunikation, Routinen und klare Abläufe sind weitere Bausteine für einen stressfreieren und damit auch ruhigeren Umgang miteinander. Weitere Hinweise bieten die unten genannten Quellen.
Sonstige Quellen:
- „Wenn Krankenhauslärm der Gesundheit schadet“, Anne Volkmann, Gesundheitsstadt Berlin e. V.
- „Die Wichtigkeit von guter Akustik in Krankenhäusern und Pflegeheimen“, Sonovision
- „Aggressionen bei Demenz: Ursachen und Umgang“, Martina Rosenberg, www.pflege.de
- “Umgang und Kommunikation”, Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. [https://www.deutsche-alzheimer.de/mit-demenz-leben/umgang-und-kommunikation]